Der Pianist Roman Borisov spielt am Samstag ein Stück, das 840 Mal wiederholt werden muss

Fünfzehn Stunden „Quälereien“ am Klavier im Konzerthaus Dortmund

Dem 22-jährigen Pianisten Roman Borisov geht hier nicht wirklich um „Es geht um die Challenge“, so Borisov. Foto: Felix Broede

Was ist so Spannend, dass es auch nach 15 Stunden nicht langweilig wird? Da fällt einem erstmal nicht viel ein. Vielleicht schlafen? Der 22-jährige russische Pianist Roman Borisov möchte am Samstag (20. September 2025) während der DEW21-Museumsnacht 15 Stunden lang das gleiche Stück auf dem Klavier spielen. Das Stück, vom französischen Komponisten Erik Satie, trägt den schönen Namen „Vexations“, auf Deutsch „Quälereien“.

Liebe für das Ungewöhnliche

Wie kommt man auf so eine Idee? „Das Konzerthaus kam auf mich zu und hat gefragt, ob ich das machen will. Ich liebe das Ungewöhnliche, also habe ich direkt ja gesagt.“ Über das Stück an sich sei wenig bekannt. Satie hat es selbst nie öffentlich gespielt.

Braunes Klavier im Pianohaus van Bremen.
Gegen mögliche Verkrampfungen möchte Borisov mit Dehnübungen und einer Massagepistole ankkämpfen. Foto: Sina Sakrzewa für nordstadt

„Wir wissen nicht mal, ob Satie wusste, was er da schreibt“, so Borisov. Satie versah sein Stück mit dem Kommentar: „Um dieses Motiv achthundertvierzigmal zu spielen, wird es gut sein, sich darauf vorzubereiten, und zwar in größter Stille, mit ernster Regungslosigkeit.“

Das Stück an sich sei nicht schwer, nur die Wiederholungen seien eine Herausforderung für die Muskulatur der Hände. „Es geht hier nicht wirklich um Musik, es geht um die Challenge“, so Borisov.

Zeit, um über sein Leben nachzudenken

„Das Stück hat irgendwann etwas Meditatives“, erklärt Borisov. Dieses Gefühl wird sich auch auf die Zuhörer:innen übertragen, hofft der Pianist.

Das Konzerthaus Dortmund Foto: Jannes Grothus

Er hat zumindest hat eine klare Vorstellung, von dem, was er auf Bühne erleben wird: „Ab der zweiten Stunde werde ich vermutlich anfangen über mein gesamtes Leben nachzudenken.“

In den wenigen, kurzen Pausen, die er sich während des Stücks nimmt, dürfen junge Pianist:innen aus Dortmund spielen. „So eine Bühne zu haben, ist etwas besonderes. Außerdem wäre es schade, wenn man plötzlich kein Klavier mehr hört.“

„Ich hoffe, dass ich den Tag überlebe“

Zuschauer:innen müssen sich aber keine Sorge machen, von 8:30 am 20.09 bis zum 21.09 1 Uhr morgens die Musik anhören zu müssen. „Die Menschen können kommen und gehen wann sie möchte. Ich werde auf jeden Fall da sein“, sagt Borisov mit einem Lachen.

Roman Borisov möchte am Samstag 15 Stunden am Klavier spielen. Foto: Felix Broede

Mit dem Konzert, welches am Weltkindertag und im Rahmen der DEW21 Museumsnacht stattfindet, verfolgt Borisov außerdem einen guten Zweck: „Wir sammeln spenden für ‚Save The Children‘. Mit der Aktion werden wir nicht übermäßig viel Geld sammeln, aber für Kinder, die Hungern, machen zehn Euro einen riesigen Unterschied.“

Ob er es am Ende schaffen wird? „Ich hoffe, dass ich den Tag überlebe“, sagt der junge Pianist. Falls ja, hat er danach schon einen konkreten Plan: „Sehr lange schlafen.“

Das Konzert beginnt am 20.09 um 8.30 Uhr  am Morgenund wird voraussichtlich am 21. September um 0.30 Uhr enden, Der Eintritt  – es ist das DEW21-Ticket der Museumsnacht – kostet für Erwachsene 14,50 Euro und für Kinder 3 Euro. Das Ticket gilt für den gesamten Zeitraum des Konzerts.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

Unterstütze uns auf Steady

Mehr zum Thema auf Nordstadtblogger.de:

Die DEW21 Museumsnacht wird 25 Jahre alt: Einblicke in das Jubiläumsprogramm

Reaktionen

  1. Klaviermarathon im Konzerthaus: Ein Zuhörer bleibt von Anfang bis Ende (PM)

    Ein Notenblatt, 840 Wiederholungen: Dieser Herausforderung der Satie-Komposition „Vexations“ hat sich Pianist Roman Borisov am vergangenen Samstag zum 100. Todestag des Komponisten gestellt. Tausende Menschen verfolgten den Livestream aus dem Konzerthaus Dortmund, 1700 nahmen den ganzen Tag über im Konzertsaal Platz – einige für wenige Minuten, andere länger. Unter ihnen: Andreas Bölker. Der Dortmunder war von Anfang an dabei – und blieb. Von Anfang bis Ende. Fast 15 Stunden lang, von 8.30 bis 23.17 Uhr.

    Über das Saisonbuch hatte Andreas Bölker von dem besonderen Konzertereignis erfahren und entschieden, einfach mal ins Konzerthaus zu gehen und dabei zu sein. Dass er als einziger Zuhörer gemeinsam mit dem Pianisten die gesamte Zeit im Konzertsaal verbringen würde – damit hatte er selbst nicht gerechnet. „So etwas kann man ja nicht planen,“ sagt der 59-Jährige, der selbst kein Instrument spielt. Als Wirtschaftsprüfer habe er eher mit Zahlen zu tun, so Andreas Bölker mit einem Schmunzeln. „Vielleicht fasziniert mich Musik darum besonders.“

    Das stundenlange Konzert habe ihm jedenfalls „Freude gemacht.“ Eine „Quälerei“ – wie der Titel des Werks in der deutschen Übersetzung nahelegen mag – sei es für ihn nicht gewesen. „Und auch nicht so anstrengend, wie ich es mir vorgestellt hätte“, sagte Andreas Bölker am Ende des Klaviermarathons. Dieses Erlebnis in Worte zu fassen, fällt ihm schwer. „Unglaublich“ sei es gewesen. „Ich bin begeistert von der Leistung des Pianisten“, erklärte er beeindruckt. „Es ist eine Kunst, aus 840 Wiederholungen 840-mal etwas Verschiedenes zu machen.“

    Um 8.30 Uhr hatte Roman Borisov die erste Note der Komposition am Flügel auf der Konzertsaal-Bühne gespielt. Von dem Moment an wiederholte der 22-jährige Künstler das Stück ein ums andere Mal. Große LED-Paneele im Saal zeigten in Echtzeit, wie oft die Notenfolge bereits erklungen waren: Mit jeder Wiederholung leuchtete ein neues, farbiges Licht auf. Um 23.05 Uhr gab es nur noch zehn dunkle Punkte an der Lichtwand, zwölf Minuten später spielte Roman Borisov die Komposition zum letzten Mal. Die anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer applaudierten begeistert – und Andreas Bölker ließ es sich nicht nehmen, dem Pianisten persönlich zu gratulieren und für das Konzert zu danken. „Dieser Abend im Konzerthaus bleibt“, ist Andreas Bölker überzeugt.

    Roman Borisov ist der treue Zuhörer in Reihe 2 nicht entgangen. In jeder seiner kurzen Pausen, in denen Jugendliche für ihn am Flügel Platz nahmen, habe er sich gefragt, ob Andreas Bölker „wohl noch da ist, wenn ich zurückkomme“, so Borisov nach der ungewöhnlichen Konzerterfahrung. Gerechnet hatte er damit nicht. In einem Interview vor dem Auftritt hatte er noch gesagt: „Ich weiß, dass es wahrscheinlich unmöglich ist: Aber es wäre toll, wenn jemand von Anfang bis Ende dabei ist.“

    Anlässlich des Weltkindertags war das Konzert auch eine Benefizveranstaltung für Kinder in Not. Während des Konzerts konnten Gäste im Konzerthaus und Zuschauer vor dem Bildschirm für die Organisation Save the children spenden.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert