
Seit 20 Jahren engagieren sich mehrere Verbände im Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus (AKgR). Im Gespräch mit dem Nordstadtblogger blickt der Co-Sprecher und Pfarrer Friedrich Stiller und Georg Deventer, Vertreter des Vereins „Pro-Dortmund e.V.“ im AKgR, auf die Geschichte des Arbeitskreises zurück, auf die Entwicklung der rechten Szene in Dortmund und vor welchen Herausforderungen dieser heute steht.
Gegen den Vorwurf, nichts gegen die Rechten zu machen
Im AKgR organisieren sich zivilgesellschaftliche Akteure, von Parteien, über kirchliche Organisationen und Gewerkschaften, die sich gegen rechtsextreme Strömungen in Dortmund engagieren.

Das Gespräch über die Anfänge des Arbeitskreises ist auch ein Gespräch über Dortmunds jüngste Vergangenheit und das schwellende Neonazi-Problem, das es vor den 2000er-Jahren zwar schon gab, doch immer mehr das Image Dortmunds prägte, so Stiller und Deventer. ___STEADY_PAYWALL___
Das erste Ereignis, das später zur Gründung beitragen sollte, war der „Aufstand der Aufständigen“, der sich formiert, nachdem das Jahr von mehreren rechten Aufmärschen und dem Mord an drei Polizist:innen durch einen Neonazi in Dortmund.
Es folgten weitere Aktionen, bis sich der AKgR 2005 gründete. Damit konnte sich die gemeinsame Arbeit verstetigen und besser auf die Aktionen der rechten Szene reagiert werden, erklärt Stiller.
Die Dortmunder Stadtgesellschaft sei „von Außen immer den Vorwurf ausgeliefert gewesen, nichts gegen das Problem von rechts zu tun“, so Stiller. Der AKgR setzte hier Mitte der 2000er ein „bürgerliches“ Zeichen dagegen.
Nachhaltige Strukturen und Verlässlichkeit am Anfang wichtig
Es ging beim AKgR nach der Gründung vor allem und Nachhaltigkeit und Verstetigung, das hatten die Akteur:innen, die schon bei vorigen Bündnissen dabei waren, gemerkt.

„Wenn immer wieder die Ansprechpartner bei Verbänden wechseln, ist die Zusammenarbeit sehr schwer“, sagt Deventer rückblickend. Bei den Treffen des AKgR seien über Jahre immer die gleichen Vertreter:innen gekommen. „Im Prinzip ist alles nach wie vor von großem Vertrauen und einer sehr einfachen Form der Zusammenarbeit getragen“, konstatiert Stiller die zwanzigjährige Zusammenarbeit.
Doch dem Arbeitskreis ging es von Anfang an nicht nur um Gegendemos gegen rechte Aufmärsche, betont Deventer. Die Aufklärung über die Neonazis in Dortmund stand auch immer an oberster Stelle.
Dieses Ansinnen unterstreicht das sogenannte „Dosier“, welches der Arbeitskreis 2006 herausgab. Darin wurde die Neonazi-Szene in Dortmund beschrieben, über die vorher einem größeren Öffentlichkeit in Dortmund nur wenig bekannt war, erklärt Deventer. Damals ein absolutes Novum, was aber dabei half, die Lage vor Ort besser einzuschätzen und für die Problemlage zu sensibilisieren.
Das Dortmunder „Wirkungsdreieck“ und andere Bündnisse
Der AKgR habe auch in der Stadtpolitik entscheidende Akzente gesetzt. So habe die Stadt zwei Jahre nach der Gründung des Arbeitskreises zum Beispiel die Gründung der heutigen Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie beschlossen,. „Da haben wir auf jeden Fall Druck gemacht“, meint Stiller.

Auch die Zusammenarbeit mit der Polizei liefe sehr gut, sagt Deventer. Man stünde seit der Gründung im engen Austausch, außerdem lasse die Polizei die Demonstrationen des AKgR immer nah an die Neonazis heran. Man spreche auch vom Dortmunder „Wirkungsdreieck“, aus AKgR, Stadt und Polizei, erklärt Stiller stolz.
„Das setzt natürlich viel Vertrauen voraus, dass wir da nicht provozieren, sondern nur friedlich demonstrieren“, betont Deventer.
Dies sei auch ein Grund dafür, dass es in Dortmund den AKgR und gleichzeitig das „Bündnis Dortmund Gegen Rechts“, das unter anderem aus Mitgliedern der DKP und diverser Antifa-Gruppen gegründet worden ist, gibt. „Uns trennen hier weltanschauliche Fragen“, sagt Stiller, zum Beispiel in Hinblick auf „demokratische Gesichtspunkte und Gewaltfreiheit“.
Trotzdem gebe es immer wieder Kooperationen zwischen beiden Verbänden, aber das AKgR vertrete eher Menschen aus dem „bürgerlichen Lager der Stadtgesellschaft“, so Stiller.
Neonazis ziehen gen Osten, neue Herausforderungen
2009, so erzählen es Deventer und Stiller, setzte ein Umdenken in der Stadtöffentlichkeit ein, doe sogenannten „Wendejahre“, wie Stiller betont: „Die Menschen wurden immer mehr mit der Neonazi-Szene konfrontiert, das hat das Bild der Stadt total geprägt.“

Diese war damals vor allem von autonomen rechten Gruppen geprägt, fand ihren Weg durch die NPD und „Die Rechte“ ihren Weg in die Dortmunder Kommunalpolitik.
Dabei gelang es, den „Handlungsrahmen der Nazis einzudämmen“, so Stiller über die 2010er-Jahre. Die Neonazis erkannten in dieser Zeit aber auch, dass sie mit ihren Formen des Aktionismus in Dortmund nicht mehr weit kommen.
„Der Höhepunkt war vermutlich die Besetzung der Reinoldikirchturms 2016, danach konnten die nicht mehr so groß mobilisieren“, konstatiert Stiller. 2020 sahen das auch die Neonazis ein und zogen aus Dortmund weg.
„Die sind alle in die ostdeutschen Bundesländer gezogen“, so Deventer. Es vollzog sich eine Art Prioritätenwechsel im AKgR: Weg von der größtenteils weggezogenen „traditionellen“ rechten Szene, hin zur am Anfang rechtspopulistischen – „heute vermehrt rechtsextremistisch“, so Stiller – agierenden AfD,
AfD als neuer Diskussionsgegenstand in der Dortmunder Stadtgesellschaft
Die AfD vertrete Ideen, die der AKgR ablehnt. Deshalb habe man 2024 zu großen Demonstrationen mit 30.000 Menschen gegen die Remigrationspläne der AfD aufgerufen, nachdem diese durch eine Correctiv-Recherche bekannt geworden sind.

Danach gab es noch weitere Aktionen: Eine Menschenkette durch die Innenstadt – „unsere Brandmauer sozusagen“, erzählt Stiller schmunzelnd – und ein „Lichtermeer“ zur Bundestagswahl 2025.
In Zukunft stellt sich aber für den Arbeitskreis die Frage nach dem weiteren Umgang mit der AfD. „Das ist eine Diskussion, die wir mit unseren Mitgliedern nochmal neu führen müssen“, so Stiller.
Von CDU bis „Omas gegen Rechts“ alle dabei
Die Zukunft des AKgR: „Wir müssen uns mehr um Meinungspluralismus und die demokratische Kultur in der Stadt kümmern“, erklärt Stiller. Als Arbeitskreis versammle man das gesamte demkratische Spektrum: von der CDU bis hin zu den Grünen und der Fan- und Förderabteilung des BVB.

„Es gilt auch, die Resilienz im eigenen Bereich zu stärken“, so Stiller, und mit den einzelnen Verbänden ins Gespräch zu kommen, was sie gegen den Rechtsruck tun können. Die Diversität an Meinungen im AKgR begreifen die Beiden dabei als große Chance.
Auch hier müsse wieder mehr auf Bildung gesetzt werden. „Wir müssen die Strukturen unseres Verbands und deren Mitglieder nutzen und mehr aufklären“, betont Deventer. Wenn über das Programm von rechten Parteien aufgeklärt werden, würden diese an Stimmen verlieren.
Jubiläumsfeier zum 20-jährigen Bestehen
„Ich hoffe ja, dass sicher der Arbeitskreis eines Tages auflöst, aber das ist noch nicht in Sicht, da müssen wir noch viel tun“, sagt Stiller und lacht. Die letzten 20 Jahre seien von viel Engagement geprägt gewesen, welches sich letztendlich ausgezahlt habe, da sind sich Stiller und Deventer sicher.

Jetzt gehe es darum, eine Plattform für Diskussionen über den Umgang mit Rechtsextremismus zu werden, vor allem weil man ein in der Stadt mittlerweile anerkannter Akteur geworden sei.
Am Samstag, den 22. November, feiert der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus sein Jubiläum in der Bürgerhalle des Rathauses von 11 bis 13 Uhr. Wer sich noch anmelden möchte, kann dies mit einer Mail an rgv@ekkdo.de oder dortmund@dgb.de noch tun.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

