
Der Verkehrssektor ist ein Sorgenkind der deutschen Klimapolitik. Trotz ambitionierter Ziele stagniert der Wandel. Ein Blick auf das Forschungsprojekt von Johannes Weyer von der Sozialforschungsstelle Dortmund an der TU Dortmund zeigt, wie komplex, aber auch wie gestaltbar die Verkehrswende ist – insbesondere im Ruhrgebiet.
Der Verkehrssektor – Deutschlands Emissionsproblem
Deutschland will die Emissionen im Verkehrsbereich bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 senken – laut Bundes-Klimaschutzgesetz. Doch der Sektor hat seit Jahrzehnten kaum Fortschritte gemacht: 2022 lagen die CO₂-Emissionen mit 148,6 Mio. Tonnen fast auf dem Niveau von 1990 (164,5 Mio. Tonnen), wie ein Bericht des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr darlegt. ___STEADY_PAYWALL___

Insbesondere der Straßenverkehr ist Hauptverursacher: Über 89 Mio. Tonnen CO₂ entfielen im Jahr zuletzt allein auf Pkw – das ist der Löwenanteil des Verkehrssektors.
Während Energiewirtschaft und Industrie Emissionen gesenkt haben, bleibt der Verkehr weitgehend unbewegt. Um die Klimatransformation zu schaffen, braucht es in diesem Sektor also dringende Impulse, wie die Verkehrswende zu schaffen ist.
Ein Reallabor für nachhaltige Mobilität
Mit dem Forschungsprojekt „InnaMoRuhr“ hat Johannes Weyer, Seniorprofessor an der TU Dortmund, das Ruhrgebiet zum Reallabor gemacht. Gemeinsam mit anderen Hochschulen – der Duisburg-Essen und Rub – wurden Konzepte nachhaltiger Mobilität nicht nur erdacht, sondern in der Praxis getestet. Die Ergebnisse liegen jetzt in seinem Buch „Nachhaltig mobil. Wie das Ruhrgebiet die Verkehrswende schaffen kann“.

Das Projekt zielte darauf, neue Formen des Mobilitätsverhaltens zu fördern – z. B. durch bessere Radinfrastruktur, Sharing-Modelle und eine Digitalisierung des Nahverkehrs. Dabei stand nicht nur Technik im Fokus, sondern vor allem das Verhalten der Menschen.
Weyer unterscheidet dabei klar zwischen zwei Ebenen der Verkehrswende: Antriebswende (E-Autos, Wasserstoff) und Mobilitätswende (Veränderung von Routinen). Beides müsse zusammen gedacht werden, betont er – doch insbesondere die zweite Komponente werde oft vernachlässigt.
Wandel braucht Geduld und Anreize
Der Soziologe fragt: Warum handeln Menschen nicht klimafreundlicher, obwohl sie wissen, wie es besser wäre? Seine Antwort: Es sind Routinen, Infrastrukturen und soziale Praktiken, die verfestigt sind – und gezielt durch gute Angebote verändert werden müssen.

Weyers Projekt zeigte erste Erfolge, etwa durch die Nutzung smarter Fahrradabstellanlagen. Doch die große Wirkung blieb zunächst aus – teilweise wegen mangelnder Daten, teilweise wegen der Kürze des Projekts. „Drei Jahre sind zu kurz“, so Weyer selbstkritisch.
Was bleibt, ist die Einsicht: Wandel braucht Geduld, konkrete Anreize – und funktionierende Infrastruktur. Gute Ideen allein reichen nicht aus, solange Menschen fürchten, im Alltag auf Mobilität verzichten zu müssen.
Potenziale digitaler Lösungen für den Verkehr
Das Projekt InnaMoRuhr setzte auf digitale Begleiter wie eigens für das Projekt programmierte Mobilitäts-Apps, um Menschen den Umstieg zu erleichtern. Auch On-Demand-Angebote wie die NeMo.Cabs – eine Art Sammel-Taxi im ÖPNV-Format – könnten langfristig helfen, private Pkw überflüssig zu machen.
Diese Vision verlangt jedoch mehr als Technik: Vertrauen, Verfügbarkeit und Integration in den Alltag. Nur wenn Menschen erleben, dass neue Optionen funktionieren, ändern sie ihr Verhalten dauerhaft.
Im Vergleich zu Paris ist Dortmund „ganz in Ordnung“
Im Systemfehler-Podcast mit Nordstadtblogger Lukas Pazzini berichtet Johannes Weyer von seinem Projekt, den größten Überraschungen und wichtigsten Erkenntnisse. Es geht um die Frage, wie die Verkehrswende in ganz Deutschland bewältigt werden kann, warum man nicht alle zu Radfahrer:innen machen muss und weshalb Dortmund im Vergleich zu Paris „ganz in Ordnung“ ist.
Das und vieles mehr im neuen Systemfehler-Podcast: „Wie gelingt die Verkehrswende im Ruhrgebiet? Im Gespräch mit Johannes Weyer von der Sozialforschungstelle Dortmund“. Hört gerne rein!
Hier geht’s zur neusten Folge unseres Systemfehler-Podcasts:
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!