„BackUp“ hat mehr als 600 Betroffene unterstützt und begleitet

Zehn Jahre Beratung für Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt

Die Beratungsstelle „Back-Up“ hat in den vergangenen Jahren verschiedene Kampagnen gegen rechte Gewalt gemacht. Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Knapp zwei Wochen vor Gründung der Beratungsstelle „BackUp für Betroffene rechter Gewalt“, kam es zu einer gesellschaftspolitischen Zäsur in Deutschland: Die Selbstenttarnung des sogenannten NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Der 4. November 2011 steht am Ende einer 13 Jahre andauernden Serie rechten Terrors, bis dahin unbekannten Ausmaßes. Fernab davon, dass der NSU-Komplex bis heute nicht vollumfänglich aufgeklärt und zerschlagen wurde, macht die Mordserie überdeutlich, warum es Beratungsstellen wie BackUp braucht. Am 17. November 2011 wurde „BackUp“ der Öffentlichkeit vorgestellt und an den Start gebracht.

Hartmut Anders-Hoepgen: „Es ist ein Skandal, dass es diese Arbeit braucht“

Schon lange war in Dortmund auf deren Gründung hingearbeitet worden. „Es ist ein Skandal, dass die Beratungsarbeit unserer Mitarbeitenden vor zehn Jahren nötig wurde. Es ist ein noch viel größerer Skandal, dass es diese Arbeit immer noch braucht“, sagt Hartmut Anders-Hoepgen. Er ist Vorsitzender des Vereins „BackUp – Comeback“, der die Beratungsstelle „BackUp“ als Träger betreibt. „Unsere Arbeit findet an kleiner Stelle statt, aber doch ist sie wirksam für die Stärkung der Demokratie.“

Zehn Jahre „Back-Up“ (v.li.):. Klaus Engels, Mitglied im Vorstand des Trägervereins BackUp-ComeBack; Hartmut Anders-Hoepgen, Vorsitzender des Trägervereins und Vorstandsmitglied Dr. Stefan Mühlhofer.
Zehn Jahre „Back-Up“ (v.li.):. Klaus Engels, Mitglied im Vorstand des Trägervereins BackUp-ComeBack; Hartmut Anders-Hoepgen, Vorsitzender des Trägervereins und Vorstandsmitglied Dr. Stefan Mühlhofer.

Bis 2019 zeichnete sich Anders-Hoepgen für die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie der Stadt Dortmund verantwortlich. Schon zehn Jahre zuvor, hatte er gemeinsam mit Dr. Stefan Mühlhofer in der kommunalen Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, auf die Einrichtung dieser Beratungsstelle hingearbeitet. Er sieht in der Arbeit des Vereins und der Beratungsstelle eine zentrale zivilgesellschaftliche Aufgabe, die im Kleinen die Demokratie stärkt und ein friedliches Miteinander in der pluralistischen Gesellschaft hinarbeitet.

Die Opferberatung, anfangs knapp zwei Jahre in der Trägerschaft des Paritätischen, bis der Trägerverein BackUp-ComeBack 2014 gegründet werden konnte, hat seit ihrem Bestehen mehr als 600 Betroffene unterstützt und begleitet.

„Immer wieder bleiben Betroffene viele Monate, nach einem gewalttätigen Angriff, bei BackUp in der Beratung, manchmal Jahre – rechte Gewalt hat eine unmittelbare Wirkungsdimension, wie körperliche Verletzungen, häufig zeigen sich die Wirkungen aber auch in langfristigen, jahrelangen Folgen auf Menschen, die sie erleben sowie ihr Umfeld“, sagt Magdalena Lentsch, Leiterin des Projekts „BackUp“.

Rassismus ist häufigstes Tatmotiv – Monitoring beleuchtet Dunkelfeld rechter Gewalttaten

Das häufigste Tatmotiv bei Beratungsfällen war Rassismus (in den letzten Jahren jeweils über zwei Drittel) vor Angriffen gegen als politische Gegner*innen gelesene Personen (zwischen 15 und 25 Prozent), neben anderen menschenverachtenden Motiven wie Antisemitismus oder Angriffe gegen Menschen mit Behinderung.

Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Ratsuchende hatten am häufigsten versuchte Körperverletzung und massive Bedrohung erlitten, gefolgt von Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung. Zwei Drittel der Angriffe passierten im Wohnumfeld der Betroffenen sowie im öffentlichen Raum (inklusive öffentliche Verkehrsmittel, sowie Bahnhöfe und Haltestellen).

Mehr als 1000 Betroffene haben in Nordrhein-Westfalen Beratung in Anspruch genommen bei der Opferberatung Rheinland (OBR) – zuständig für den rheinischen Landesteil – und bei BackUp – zuständig für den westfälisch-lippischen Teil. BackUp und OBR veröffentlichen jährlich eine Jahresstatistik zu rechten, rassistischen und antisemitischen Gewalttaten, die über die Statistik der politisch-motivierten Kriminalität (PMK rechts) der Polizei hinausgeht. „Mit unserem unabhängigen Monitoring bieten wir eine unbedingt notwendige Erweiterung der statistischen Erfassung durch staatliche Erfassungsbehörden“, so Lentsch.

„Das Erleben und die Perspektive von Menschen, die von rechter Gewalt betroffen sind, stehen im Zentrum und sind maßgebliches Kriterium für die Verifizierung von beispielsweise rassistischen Gewalttaten – unabhängig davon, ob ein Angriff strafrechtlich zur Anzeige gebracht wurde.“

Finanziert vom Bund, Land und Stadt – und durch Spenden

Finanziert wird die Beratungseinrichtung, die für die Regierungsbezirke Arnsberg, Münster und Detmold zuständig ist, aus Bundes- und Landesmitteln, sowie aus kommunalen Mitteln der Stadt Dortmund. Unerlässlich für die Arbeit des Vereins ist auch das Engagement der westfälischen Zivilgesellschaft und die enge Zusammenarbeit mit dieser. „Spenden“, so Anders-Hoepgen, „stellen hier ein wichtiges multiplikatorisches Moment dar.“

Es kommen immer wieder Kosten auf, die durch die Fördergelder nicht gedeckt werden. Und genau in diesen Momenten sind Spenden unerlässlich, um die kontinuierliche Arbeit des Vereins zu ermöglichen. „Es sind unter anderem Service Clubs, Vereine, Einzelpersonen, die spenden, aber diese Personen geben in ihren privaten Kreisen und Organisationen weiter, wie wichtig die Arbeit von BackUp ist.“

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Reaktionen

  1. Ist der Redaktion bekannt

    Dies möchte ich Euch zur Kenntnis geben – die RN haben es nicht gebracht.
    Das Gründungsdokument des NSU ist seit 1993 bekannt – RuhrNachrichten: „Die Bombe galt uns allen“ (Köln) und „Der NSU in Dortmund: Terroristen hatten 50 mögliche Anschlagziele“ (Lokalseite Dortmund)

    Süddeutsche Zeitung: „Netzwerk des Terrors“ (München) und „Rechter Terror – Zehn Jahre später“ – So lauteten die Überschriften zu Berichten über neuste Erkenntnisse zu den Plänen und Verbindungen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), der vor zehn Jahren enttarnt wurde und zu dem weiter recherchiert wird. Ein von Bedrohungen Betroffener schreibt: Auf Grund auch meiner Informationen als Betroffener schrieb die Frankfurter Rundschau bereits am 3. 12. 93 u.a. unter der Überschrift: Neonazis rufen zur „endgültigen Ausschaltung” von Gegnern auf. Druckschrift nennt 250 Menschen, die „bestraft” werden sollen. Das folgende: „Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt gegen eine unbekannte kriminelle Vereinigung von Neonazis, die eine Broschüre mit dem Titel ‚Einblick – Die Nationalistische Widerstandszeitschrift gegen zunehmenden Rotfront- u. Anarchoterror‘ verbreiten.In der rund 50 Seiten umfassenden Broschüre werden nach Angaben des ARD-Fernsehmagazins „Panorama“ die Namen, Anschriften und Autokennzeichen von etwa 250 Personen genannt, die von den Lesern der Schrift „bestraft“ werden sollen. Unter den Bedrohten seien Bürgermeister, Richter, Unternehmer, Journalisten und Jugendamts-Mitarbeiter. Der Bund der Antifaschisten (VVN) teilte mit, in der Schrift würden auch SPD-Landtagsabgeordnete, Gewerkschaftsfunktionäre, VVN-Mitglieder, eine kirchliche Flüchtlingsbeauftragte und Schriftsteller bedroht.Nach Angaben von ‚Panorama‘ ist die Druckschrift über ein Postfach in Dänemark zu beziehen. In ihr heiße es unter anderem: ‚Wir werden es hier tunlichst vermeiden, zur Gewalt im Sinne von Körperverletzungen, Tötungen usw. gegenüber unseren Gegnern aufzurufen. Jeder von uns muß selbst wissen, wie er mit den ihm hier zugänglich gemachten Daten umgeht. Wir hoffen nur, ihr geht damit um!!!‘ Weiter werde zur ‚endgültigen Zerschlagung‘ und ‚Ausschaltung aller … antideutschen … Kräfte‘ aufgerufen.Trotz der im Broschürentext als ‚tunlichst vermeiden‘ verbrämten Aufforderung zu Tötung und Körperverletzung geht die Bundesanwaltschaft bisher nicht von der Existenz einer terroristischen Vereinigung (nach Paragraph 219a) aus. Nach dem Gesetz ist der Tatbestand der Gründung einer terroristischen Vereinigung jedoch erfüllt, wenn deren Zweck oder Tätigkeit auf Mord oder Totschlag gerichtet ist.“So weit die FR.

    Die Liste „Einblick“ darf als das Gründungsdokument des NSU angesehen werden. Es ist seit fast 30 Jahren eine terroristische rechte Gruppe tätig, die „tunlichst“ ihre Taten verheimlicht und keine Bekennerschreiben loslässt, aber dennoch höchst gefählrich ist.

    Aus Dortmund waren rund 25 Personen und Organisationen in der Liste aufgeführt. Eine Kopie ist in unserem Besitz. Die Polizei hat vor 28 Jahren und nach der Aufdeckung von NSU die Betroffenen in Dortmund aufgesucht und auf bestehende Gefährdungen hingewiesen. Die Frage nach „Einblick“ wurde 18 Jahre später verneint: Kennen wir nicht. Es ist aber so, dass von Anfang an die Polizei informiert war über den Text von „Einblick“. Offenbar wurde das Dokument nicht von der Polizei und Justiz in Dortmund ins Archiv aufgenommen. Nach weiteren Drohungen gegen mich und meine Familie – Hetztexte am Wohnhaus, Maildrohung mit der Ankündigung eines Attentats, Aufnahme meiner Person in die Liste der Juden und Feinde Deutschlands „Orcus“ usw – habe ich jeweils die Dortmunder Polizei informiert. Entweder kamen die Mails als unzustellbar zurück oder es kam nach weiteren Versuchen nicht einmal ein Eingangsschreiben zustande. Von BackUp habe ich auch nie etwas vernommen.

    Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt

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