Vergiftet Rechtspopulismus das Klima? Von der Leugnung bis hin zur Instrumentalisierung des Klimawandels

Die Klima- und UmweltschützerInnen prangern den Stromkonzern RWE an. Foto: Leopold Achilles
Während die Themen Umwelt und Klimaschutz für die BürgerInnen in Europa und weltweit immer wichtiger werden, bezweifeln Populisten, dass die Probleme vom Menschen verursacht wurden. Ihre Strategien reichen von der schlichten Leugnung bis zur Instrumentalisierung zu eigenen Zwecken. Foto: Leopold Achilles

Von Marian Thöne

Ob Rechtspopulismus unser Klima vergiftet? Bezogen auf die Debattenkultur oder gesellschaftliche Stimmung und Entwicklung sagen viele: ja! Und beim „echten“ Klima sieht es nicht viel anders aus. Mal leugnen die rechtspopulistischen Parteien den menschengemachten Klimawandel, mal verweigern sie eine klare Haltung oder bedienen sich beim sogenannten „Whataboutism“.

Definition als Grundlage der Diskussion: Was ist eigentlich Rechtspopulismus?

Für die Veranstaltung „Rechtspopulismus und Klimapolitik in Europa“ kam Stella Schaller, Projektmanagerin bei der Denkfabrik und Beratungseinrichtung „adelphi“, eigens von Berlin nach Dortmund. Der Vortrag war der zweite von vier Terminen der „Populismus und Extremismus in Europa“-Veranstaltungsreihe im Rahmen der Europa-Projektwochen von Europe Direct Dortmund. Diesmal wurde ins Dortmunder Rathaus geladen.

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Stella Schaller (l) ist Projektmanagerin bei der Denkfabrik und Beratungseinrichtung „adelphi“ in Berlin. Foto: Marian Thöne

Ähnlich wie bei der ersten Veranstaltung dieser Reihe und generell bei derartigen Vorträgen, gilt es zunächst, den Begriff Rechtspopulismus zu umreißen. Schaller nennt dazu verschiedene Ansätze. So meinen viele, Populismus sei ein Kampfbegriff, eine Art Totschlagargument in politischen Debatten. Wirft man dem Gegenüber Populismus vor, ist die Debatte schnell vorbei. Andere halten (Rechts-)Populismus für verharmlosend. Die AfD zum Beispiel sei eine völkisch-nationalistische Partei und das solle man auch klar so benennen. 

Wieder andere bezeichnen Rechtspopulismus als „eine dünne Ideologie“. Das bezieht sich darauf, dass er meist keine ureigene Agenda kennt und sich dafür bei verschiedenen anderen Ideologien bedient. Dazu passt, dass Rechtspopulismus auch oft als bloße Kommunikationsstrategie gesehen wird: beleidigend, generalisierend und gewollt grenzüberschreitend.

Warum das Thema relevant ist? Das ergibt sich alleine aus den Wahlergebnissen. Rechtspopulistische Parteien haben zuletzt historische Gewinne erzielt – in den EU-Staaten sind sie in 23 von 28 Parlamenten vertreten, acht Mal Teil der Regierungskoalition und in Polen und Ungarn stärkste Kraft. Seit der letzten Wahl haben sie 22,8 Prozent der Sitze im Europäischen Parlament inne.

Wie sehen rechtspopulistische Parteien in Europa den Klimawandel?

Analyse zur Haltung rechtspopulistischer Parteien in Europa bezüglich der Klimapolitik von Stella Schaller und Alexander Carius. Foto: Marian Thöne

Das Thema Klimawandel ist wichtig, wie schon eine Umfrage im Raum zeigt: Sechzig Prozent der Veranstaltungsgäste halten ihn derzeit für das wichtigste politische Thema überhaupt. Auch in der Gesamtbevölkerung belegt der Klimawandel dabei den ersten Platz. Dass US-Präsident Trump den Klimawandel leugnet, ist bekannt – aber wie sieht es in Europa aus? Welche Haltung haben die rechtspopulistischen Parteien hier?“ fragt Schaller. 

In ihrer Studie hat Schaller u. a. Abstimmungsverhalten, Interviews oder Pressemitteilungen von 21 rechtspopulistischen Parteien in Europa systematisch ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass tatsächlich viele RechtspopulistInnen den menschengemachten Klimawandel leugnen.

Einige Parteien leugnen den Klimawandel während andere schweigen

Auch in den Reihen der AfD wird der „menschengemachte“ Klimawandel angezweifelt. Foto: Leopold Achilles

Das gilt insbesondere für die Parteien in Dänemark (Dansk Folkeparti), Deutschland (Alternative für Deutschland / AfD), Estland (Eesti Konservatiivne Rahvaerakond), Großbritannien (United Kingdom Independence Party / UKIP), den Niederlanden (Partij voor de Vrijheid / PVV), Österreich (Freiheitliche Partei Österreichs) und Schweden (Sverigedemokraterna).

Eine weitere verbreitete Strategie rechtspopulistischer Parteien ist, zum Klimawandel zu schweigen bzw. eine klare Position zu verweigern. „Es gäbe noch zu wenig sichere Erkenntnisse, man müsse noch abwarten, bevor man sich positionieren könne – Aussagen dieser Art kommen immer wieder vor“ so Schaller. 

Solche Positionen finden sich oft bei den Parteien in Belgien (Vlaams Belang), Bulgarien (Bulgarsko Natsionalno Dvizhenie), Frankreich (National Rally / NR (früher Front National)), Griechenland (Chrysi Avgi), Italien (Lega Nord), Litauen (Tvarka ir teisingumas), Norwegen (Progress Party), Polen (Prawo i Sprawiedliwość), der Schweiz (Schweizerische Volkspartei / SVP), der Slowakei (Slovenska narodna strana) und Tschechien (Svoboda a přima demokracie).

Es gibt aber auch Überraschungen wie zum Beispiel in Ungarn

Hätten Sie’s gewusst: Ungarn hat unter Orbán als erstes EU-Land das Pariser Abkommen zum Klimaschutz ratifiziert.

Aber die Studie hat noch eine dritte Kategorie gebildet: diejenigen, die den Klimawandel anerkennen und Initiativen zum Klimaschutz – in gewissem Maße – positiv gegenüber stehen. Die Liste ist deutlich kürzer. Trotzdem mag überraschen, dass sich etwa die ungarische Fidesz-Partei von Victor Orbán relativ offen für Klimaschutz zeigt. So hat Ungarn unter Orbán als erstes EU-Land das Pariser Abkommen zum Klimaschutz ratifiziert. Ebenfalls in diese Kategorie fallen die Parteien aus Finnland (Finns Party) und Lettland (Nacionālā Apvienība).

Schaller geht auch auf die beliebtesten Argumente gegen eine Klimapolitik ein, die nachhaltige Entwicklung und CO²-Reduktion anstrebt. Ein beliebtes Argument sei, dass Klimapolitik der Wirtschaft schade. „Die Kosten, die der Klimawandel verursacht, werden dabei völlig vergessen“ gibt sie jedoch zu bedenken. „Der Dürresommer 2018 hat dem Kartoffelanbau in Deutschland beispielsweise Millioneneinbußen beschert.“

Auch behaupten RechtspopulistInnen gerne, Klimapolitik zerstöre „unsere“ Flora und Fauna. So klagt zum Beispiel die Schweizerische Volkspartei: „Solar besetzt unser Heimatland“. Auch der Vorwurf, Windräder würden zum Massengrab für Vögel, ist verbreitet. Diese Argumentation ergebe keinen Sinn, so Schaller, „weil durch den Klimawandel viel Natur zerstört wird. Es ist außerdem wissenschaftlich belegt, dass durch den Klimawandel mehr Vögel sterben, als durch Windkraftanlagen“.

Immer wieder beliebt: „Whataboutism“, um sich aus der Verantwortung zu stehlen

Rechtspopulisten wollen nicht wahrhaben, dass das Thema Klimawandel vor der eigenen Haustür beginnt. Foto: Wolf-Dieter Blank

Scheinen die oben genannten Strategien nicht (mehr) passend, bleibt immer noch – das gerade im rechtspopulistischen Spektrum beliebte – „Whataboutism“. Damit ist die Strategie gemeint, auf ein Argument der Gegenseite nicht einzugehen, sondern schlicht ein „neues Fass aufzumachen“. Ziel ist in aller Regel, sich selbst jeder Kritik zu entziehen, indem man jemand anders anklagt.

Ähnliche Muster finden sich auch beim Thema Klimawandel. So argumentieren europäische RechtspopulistInnen oft, dass nationale Klimapolitik wirkungslos sei – was sei denn mit China oder Indien, die müssten ihre Emissionen senken, denn sie seien die wahren Klimaverschmutzer. Und schon hat man das eigene Land und damit sich selbst aus der Verantwortung gezogen. 

Rein strategisch betrachtet ist Klimapolitik für rechtspopulistische Parteien ein attraktives Thema, weil „leichtes Ziel“. Klimaschutz erfordert einen tiefgreifenden Wandel, der auch mit Kosten und Unbequemlichkeiten verbunden ist. Außerdem braucht es die erwähnte internationale Zusammenarbeit und Solidarität – die zu boykottieren und zu blockieren ist einfach. Gerade die EU ist auf Konsens angewiesen. Dank ihrer Wahlerfolge könnten die rechtspopulistischen Parteien dort viele klimapolitische Initiativen blockieren, so Schaller. 

Instrumentalisierung des Problems, um Verschwörungstheorien zu untermauern

Klimaschutz ist eine Thema aus der Mitte der Gesellschaft und interessiert nicht nur Öko-AktivistInnen.

Darüber hinaus lässt sich das verbreitete rechtspopulistische Narrativ des Konflikts zwischen „Volk“ und „Elite“ in der Klimapolitik vorzüglich anwenden. Laut Schaller zeichnen RechtpopulistInnen oft das Bild eines homogenen Volkes, dass von einer korrupten Elite gesteuert werde. Klimapolitik sei ein Eingriff in den Markt, der letztlich die Freiheit der „kleinen Leute“ einschränke und stelle somit eine Art Verschwörung dar. Ziel des Ganzen sei, dem „kleinen Mann“ zu schaden.

„Meiner Meinungen nach müssen wir Klima aus der grünen Ecke holen. Das Thema betrifft viele Bereiche – wird aber immer mit sogenannten Ökos gleichgesetzt. Das schreckt viele ab“ sagt Schaller. Außerdem sei es wichtig, den gesellschaftlichen Dialog aufrecht zu erhalten. 

Wir müssten uns raus aus der Echokammer unseres (digitalen) Umfelds begeben und auch mit Menschen reden, die eine andere Meinung vertreten. Es sei wichtig, der Skepsis und Ablehnung vieler rechtspopulistischer Parteien gegenüber Klimapolitik eigene Akzente und Visionen entgegen zu setzen. Wir müssten ein Bild zeichnen, wie eine nachhaltige Zukunft 2050 aussehen kann. Und uns das Klima möglichst nicht vergiften lassen.

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Weitere Informationen:

  • Die Studie von Schaller und Carius ist derzeit nur auf Englisch verfügbar. Ein deutschsprachiger Artikel, der sie zusammenfasst, ist hier zu finden.
  • Die Veranstaltungsreihe wird an zwei Terminen fortgesetzt:
  • Donnerstag, 19. September, 18.30 Uhr: Weiter geht es mit einem Vortrag und anschließender Diskussion über Denkweisen und Verschwörungstheorien innerhalb aktueller antieuropäischer Strömungen. Referent Tom Uhlig von der Bildungsstätte Anne Frank wird über „Abgründe des Antieuropäismus” in linken wie rechten euroskeptischen Bewegungen referieren.
    Veranstaltungsort: Rathaus Dortmund, Saal Westfalia, Friedensplatz 1
  • Mittwoch, 25. September, 18.30 Uhr: Abschluss der Europa-Projektwochen bildet ein Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema: „Gründerstaaten im Sog des Populismus: Frankreich, Italien und das Regieren in der EU“. Der Politikwissenschaftler Dr. Andreas Marchetti geht dabei exemplarisch auf die Entwicklungen in Frankreich und Italien ein, zeigt aber auch auf, dass populistische Strömungen keinen unaufhaltsamen Trend darstellen müssen.
    Veranstaltungsort: Großer Saal, Auslandsgesellschaft.de e.V., Steinstraße 48

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