„Tag der Solidarität – Kein Schlussstrich“ am 4. April: Gedenken an NSU-Opfer Mehmet Kubaşık in Dortmund

Jenseits von Staatsangehörigkeit und Religion: Trauer und Entschlossenheit bei der Benennung des Platzes nach Mehmet Kubaşık in der Nordstadt im Herbst 2019. Archivfoto: Alex Völkel

Das Bündnis „Tag der Solidarität – Kein Schlussstrich“ hat nach Rücksprache mit Familie Kubaşık die Gedenkdemonstration und die Veranstaltungen rund um den diesjährigen „Tag der Solidarität“ am 4. April vorerst abgesagt. Mit dem Hinweis, andere Formen des Gedenkens zu finden. Es teilt die Verantwortung, die Ausbreitung von Covid-19 zu verzögern, um Risikogruppen zu schützen. Entstanden ist eine Radiosendung.

Seit 14 Jahren fordern die Angehörigen der NSU-Opfer umfassende Aufklärung

Am Samstag wird trotzdem auf unterschiedliche Weise Mehmet Kubaşıks gedacht. Im Stillen, aber auch in Erinnerung an diesen einen Menschen. Einschließlich der Forderungen seiner Angehörigen wie der aller Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Auch in Dortmund rief ein breites Bündnis zur Protestaktion „Kein Schlussstrich“ auf. Foto: Leopold Achilles
Die geplante Protestaktion „Kein Schlussstrich“ muss in diesem Jahr ausfallen. Archivfoto: Leopold Achilles

2006 wurde der bei vielen beliebte Kioskbetreiber Mehmet Kubaşık von Neonazis des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) auf der Mallinckrodtstraße im Dortmunder Norden erschossen. Heute, am 4. April jährt sich dieser Mord zum 14. Mal. Seit 2012 gedenkt das Bündnis an diesem Tag Mehmet Kubaşık und allen Opfern rassistischen, rechten und antisemitischen Terrors.

Seit 14 Jahren fordern die Angehörigen der Opfer umfassende Aufklärung. Seit Jahren fordern sie weitere lokale Ermittlungen, gerade in Dortmund. „Die Ignoranz der politischen Verantwortlichen gegenüber der Perspektive der Angehörigen ist ein Grund, gemeinsam auf die Straße zu gehen“, sagt Marie Kemper vom Bündnis. „Da dies unter den aktuellen Bedingungen in einer würdigen Form nicht möglich ist, haben wir eine Radiosendung produziert, um den Forderungen Ausdruck zu verleihen.“

Der rassistische Terrorakt in Hanau, der Mord an Walter Lübcke, der antisemitische Terroranschlag in Halle und zahlreiche Morddrohungen gegen Politiker*innen, Jurist*innen und Menschen, die sich gegen Rassist*innen und Neonazis stellen, machten auf traurige Weise deutlich, wie aktuell die Forderungen sind.

Forderung: „Der Rassismus in unserer Gesellschaft muss ehrlich thematisiert und bekämpft werden“

Das Bündnis gegen rechts hatte eine Tour zu den Stolpersteinen und dem Gedenkstein für Mehmet Kubasik gemacht.
Vor seinem ehemaligen Kiosk gibt es einen Gedenkstein für Mehmet Kubaşık. Archivfoto: Alex Völkel

In Zeiten der Krise würden rassistische Argumentationen lauter: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Ministerpräsident Laschet davon spricht, bei der ,Seuchenbekämpfung‘ wie bei der Bekämpfung von ,Clankriminalität‘ vorgehen zu wollen. Die rassistische Symbolpolitik der Landesregierung in Bezug auf Shisha-Bars, nur wenige Wochen nach dem Terrorakt in Hanau, bereitet den Boden zur Kriminalisierung von Menschen mit Migrationserbe und schließlich für rechte Gewalt.“

„Der Rassismus in unserer Gesellschaft muss ehrlich thematisiert und bekämpft werden. Nach wie vor ist der rechte Terror in Deutschland eine gefährliche Realität. Die Sorgen und Ängste der Menschen, die davon betroffen sind, müssen ernst genommen werden“, warnt Kemper.

Daher ist dem Bündnis wichtig, Solidarität mit den Angehörigen der Mordopfer und allen Betroffenen zu zeigen. „Der Kampf gegen rechte Gewalt und die Erinnerung an die Opfer begleitet uns in Dortmund jeden Tag“, teilte das Bündnis nach der Absage der Demonstration mit. „Wir werden am Samstag trotzdem gedenken, denn nichts und niemand ist vergessen.“

Mehr Informationen: tagdersolidaritaet.wordpress.com

Der Aufruf zum Nachhören: https://radio.nrdpl.org/2020/03/24/buendnis-tag-der-solidaritaet-kein-schlussstrich/

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Reaktionen

  1. Rat Muslimischer Gemeinden Dortmund (Pressemitteilung)

    Mehmet Kubasik wurde von der terroristischen Vereinigung NSU am 4. April 2006 ermordet

    In Gedenken an den Dortmunder und alle anderen Opfer des Rechtsextremismus, legten die Vertreter des RMGD, des Intergrationsrates der Stadt Dortmund und der Türkischen Verbände, unter Beachtung des Corona Ansammlungsverbotes der Stadt Dortmund, Blumen nieder.

    Abdelhay Fadil, als Mitglied des Rates des RMGD und Imam der Baroper Moschee, sprach ein Totengebet für alle NSU Opfer:
    „Gott lernt uns im Islam zu vergeben, aber nicht zu vergessen. Wir bitten Gott, dass solch ein Verbrechen Niemanden und irgendwo wieder passiert“, fügte er hinzu.

    Der Stellvertretende Vorsitzende des Intergrationsrates Emre Gülenc sagte:
    „Wir gedenken heute Mehmet Kubasik und allen Opfern der NSU Morde aus Fremdenhass. Wir treten ein für eine Welt gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine interkulturelle Vielfalt.
    Unser Motto lautet: „Dortmund ist bunt.“
    Er lobte zudem auch -trotz der Ausnahmesituation – die jährliche Gedenkanteilnahme gegen Rassismus der Dortmunder Bürgerinnen, indem sie zu Hause auf ihre Art Inne halten.

    Der NSU hatte jahrelang unerkannt im Untergrund gelebt. Zu der Terrorzelle gehörten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Zwischen den Jahren 2000 und 2007 töteten sie acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer und eine Polizistin. Außerdem wurden sie für zwei Sprengstoffanschläge und diverse Raubüberfälle verantwortlich gemacht.

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