Stadt Dortmund geht gegen Lensing-Verlag in Berufung und fragt: Wie verstaubt muss städtische Pressearbeit sein?

Die Stadt Dortmund hat Berufung gegen das Unterlassungsurteil des Landgerichts Dortmund bezüglich des kommunalen Internetangebotes dortmund.de eingelegt. Der Fall geht somit in die nächste Instanz. Fotos: Alex Völkel

Die Stadt Dortmund will das Urteil des Landgerichts im Streit um ihr Internetportal dortmund.de mit der Verlagsgruppe Lensing-Wolff (u.a. Ruhrnachrichten) nicht kampflos hinnehmen und hat Berufung eingelegt. Das Gericht hatte entschieden, dass das Erscheinungsbild und die Inhalte des Online-Angebotes wettbewerbsrechtlich unzulässig seien, da sie einen pressesubstituierenden Charakter aufweisen und somit über den reinen Informationsauftrag einer Kommune hinausgehen würden. Außerdem würde das Gebot der Staatsferne der Medien verletzt. Das Gericht bestätigte in Folge die Unterlassungsklage der Verlagsgruppe.

Stadt verteidigt ihr Vorgehen als zeitgemäße, transparente Kommunikation

Die 3. Zivilkammer - hier bei der mündlichen Verhandlung im September - gab der Klage des Verlags in allen Punkten Recht.
Die 3. Zivilkammer – hier bei der mündlichen Verhandlung im September – gab der Klage des Verlags in allen Punkten Recht.

In diesem Urteil hat das Landgericht der Stadt Dortmund untersagt, das Telemedienangebot dortmund.de in seiner Erscheinungsform vom 15. Mai 2017 zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

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Das Gericht hat sein Urteil im Wesentlichen damit begründet, nach einer Gesamtbetrachtung überschreite das städtische Internetportal als Medium die rechtlichen Grenzen, die sich aus dem Gebot der Staatsferne der Presse ergeben.

Es handele sich bei dieser Art der Information nicht mehr um eine gemeindliche Aufgabe, weil die gesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenzgrenzen überschritten würden und man in Konkurrenz zur privaten Presse trete. Dieser Rechtsauffassung kann sich die Stadt Dortmund nicht anschließen.

Sie sieht es als eine zentrale und maßgebliche Fragestellung für die Klärung in weiteren gerichtlichen Instanzen an, was im Jahr 2019 zu der eigenen kommunikativen Angelegenheit und Aufgabenstellung der Stadtverwaltung gehört. Sie betrachtet ihr Angebot als zeitgemäße Kommunikation einer Verwaltung, die auch durch Kooperieren, Initiieren, Werben für den Standort, Vernetzen und Motivieren geprägt sei.

Die Kritik der Stadt an der bisherigen Rechtsprechung: „Hat ein verstaubtes Bild obrigkeitsstaatlicher Behördentätigkeit aus Nachkriegszeiten Bestand oder wird im Jahr 2019 ein zeitgemäßes Kommunikationsverständnis einer Verwaltung zugrunde gelegt?“ heißt es dazu – bewusst provozierend – in einer Stellungnahme der Stadt.

Es fehlt ein juristisch definierter Rahmen für das Informationsverhalten der Kommunen

Auch wenn sich Ullrich Sierau und Lambert Lensing-Wolff gut zu verstehen scheinen, konnte keine gütliche Einigung erreicht werden.

„Partizipation und Information der Bürgerschaft sind zentrale Anliegen der Stadt Dortmund. Kommunikation ist einer stetigen Veränderung unterlegen. Um Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, ist eine fortlaufende Weiterentwicklung der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar“, so Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau.

Dem Urteil des Landgerichtes Dortmund lag eine BGH-Entscheidung gegen das kommunale Crailsheimer Stadtblatt vom Dezember 2018 zugrunde. Man übertrug die Entscheidungsgrundsätze vom Printmedien auf das Internetangebot der Stadt Dortmund.

In diesem kam die Frage auf: „Was umfasst die –[….] Unterrichtung der Öffentlichkeit über die aktuelle Tätigkeit und künftigen Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats?“ (Formulierung im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.12. 2018, Crailsheimer Stadtblatt II).

Diese Frage ist für die Stadt Dortmund die Grundlage ihres Berufungsantrages, denn sie sei nicht abschließend beantwortet worden und bedürfe weiterer gerichtlicher Klärung. Es müsse definiert werden, was vor dem oben genannten Hintergrund die Herausforderungen an und die zulässigen Inhalte für das Informationsverhalten der Kommunen in einer zunehmend digitalisierten Informationsgesellschaft sein könnten.

Transparenz und Partizipation oder unlauterer journalistischer Wettbewerb?

Verleger Lambert Lensing-Wolff (mit Rechtsanwalt Michael Rath-Glawatz im Hintergrund), konnte vor dem Landgericht einen vollen Erfolg verbuchen. Fotos: Alex Völkel
Verleger Lambert Lensing-Wolff (mit Rechtsanwalt Michael Rath-Glawatz im Hintergrund), konnte vor dem Landgericht einen vollen Erfolg verbuchen.

„Nur so ist es möglich, hohe Akzeptanz für Projekte und Themen zu erzielen, nachhaltig zu arbeiten und den Standort zu stärken. Einer Kommune muss es möglich sein, in der digitalen Welt ihre Bürgerinnen und Bürger entsprechend der üblichen und erwarteten Standards über die kommunalen Zusammenhänge zu informieren“, so Sierau.

Dieser Ansatz, im Rahmen der Nachhaltigkeit die Stadtgesellschaft über die unterschiedlichsten kommunalen Projekte und Vorhaben zu informieren, sie zu vernetzen, sie zu motivieren und sie dabei mitzunehmen, entspreche den von der Stadt Dortmund seit Jahren gelebten Prinzipien von Transparenz und Partizipation. 

Dem widerspricht die Klageseite. Im November begrüßte Verleger Lambert Lensing-Wolff das Urteil des Gerichts und bezeichnete es als Stärkung für die Pressefreiheit und die Demokratie. Es sei gut, dass der städtischen Pressearbeit enge Grenzen gesetzt würden. „Sie müssen sich und ihre Politik erklären. Aber sie sollen keine Pressearbeit nach eigenem Gusto mehr machen“, so der Dortmunder Verleger. 

Position der Stadt Dortmund wird vom Städtetag NRW unterstützt

Eine Internetseite wird beklagt - dafür braucht es viel Papier.
Als nächste Instanz ist das Oberlandesgericht Hamm für den Fall zuständig.

Die Stadt Dortmund verweist auf die Tatsache, dass sie für ihr Kommunikationskonzept schon mehrfach ausgezeichnet worden ist. Im Jahr 2014 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis und 2017 mit dem „Verwaltungs-Oscar“, dem European Public Sector Award, bei dem sich Dortmund gegen 69 weitere Konkurrenten europaweit durchgesetzt hat.

Die Stadt Dortmund werde in ihrer Auffassung und in der damit verbundenen rechtlichen Auseinandersetzung vom Hauptausschuss des Deutschen Städtetags unterstützt. Auch der Städtetag NRW habe in einem Vorstandsbeschluss schon im November 2017 formuliert: 

„Online-Auftritte der Städte sind heute unverzichtbar zur Information der Öffentlichkeit und haben zudem eine besondere Relevanz für das Stadtmarketing. Deshalb müssen die Online-Auftritte zeitgemäß gestaltet werden. Eine journalistische Aufbereitung von Inhalten ist für Städte in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zwingend notwendig, um ihren Informationsauftrag gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erfüllen zu können.“

Als nächste Instanz wird nun vor dem Oberlandgericht weiter verhandelt. Wegen des richtungsweisenden Charakters könnte der Fall allerdings bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen.

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