Mundschutz, Risikogruppen, Medikamente – was stimmt und was nicht: Infektiologe zu Unsicherheiten wegen Corona

Leere Stadtbahnen wegen der Ansteckungsgefahr – ein Experte aus dem Dortmunder Lungenzentrum rät, wie das Risiko vermindert werden kann. Foto: Sascha Fejneman

Hilft ein Mundschutz? Ab wann gehöre ich zu einer Risikogruppe? Und darf ich Medikamente absetzen, wenn abends in den Nachrichten der Hinweis dazu kommt? In Zeiten von Corona ist die Verunsicherung groß, das spürt auch Priv.-Doz. Dr. Bernhard Schaaf, Direktor der Klinik für Infektiologie und Pneumologie im Lungenzentrum des Klinikums Dortmund. In einem Live-Chat auf Instagram klärte der Experte jetzt über zahlreiche Gerüchte rund um Covid-19 auf. – Auch ein Pflegewegweiser der Verbraucherzentrale NRW soll beraten und Orientierung vermitteln.

Risiko einer Ansteckung vermindern und auf etwaige Vorerkrankungen achten

Priv.-Doz Dr. Bernhard Schaaf. Foto: Klinikum

So werde die Funktion und Wirkung eines Mundschutzes von Laien vielfach falsch eingeschätzt „Wenn Menschen ihn zum Eigenschutz tragen möchten, sollten sie dennoch nicht nachlässiger mit den anderen Hygienestandards wie zwei Meter Abstand halten, Hände waschen etc. eingehalten werden. Der Schutz ist nicht zu 100 Prozent gegeben. Vor allem ist der Mundschutz z.B. auf offener Straße weitgehend nutzlos. Er macht höchstens im Nahbereich, also bei Kontakt unter zwei Meter Sinn“, so der Experte. ___STEADY_PAYWALL___

Bekannt ist, dass insbesondere ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko haben, dass bei ihnen Corona einen schwereren Verlauf nimmt. Zugleich sei aber nicht jedem bewusst, dass er oder sie zu einer Risikogruppe gehöre. „Es gibt nach Schätzungen zum Beispiel etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland, die einen nicht erkannten Diabetes haben. Nach Definition der Risikogruppen für Corona wären sie aber dabei“, erklärt PD Dr. Schaaf.

Hinzu komme, dass gerade Vorerkrankungen, die schlecht medikamentös eingestellt sind, unter Umständen ein Problem im Falle einer Covid19-Erkrankung werden können. In jedem Fall sollte bei Unsicherheit eine Rücksprache mit dem Hausarzt erfolgen: „Wer seine Medikamente selbstständig absetzt oder in anderer Weise nimmt, kann nachhaltig Schaden anrichten.“

THEMENFELD ALTERNATIVE MEDIZIN

Haus- und Nahrungsergänzungsmittel kein Schutz vor Coronavirus Heilversprechen vor Anwendung stets sorgfältig prüfen

Bei der Frage, wie man sich selbst am besten vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen kann, gehen viele Menschen im Internet und in ihren sozialen Netzwerken auf die Suche nach hilfreichen Tipps und Mitteln, die gegen eine Coronaviren-Infektion helfen. Zum großen Teil stoßen Ratsuchende dort auf haarsträubenden Unsinn und wirkungslose Produktempfehlungen. “Falschinformationen zur angeblich wirksamen Virenabwehr werden von Scharlatanen gestreut und verbreitet, die Ratsuchenden das Geld aus der Tasche ziehen wollen für angepriesene dubiose Mittelchen. Es gibt derzeit kein Haus- oder Nahrungsergänzungsmittel, das eine Infektion mit dem Virus verhindern kann“, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. Die Verbraucherschützer entlarven einige dubiose Empfehlungen, wie sie etwa bei Facebook, WhatsApp und auf anderen Portalen kursieren:

  • Nahrungsergänzungsmittel und Pflanzenstoffe: Derzeit werden Heilmittel die Pflanzenstoffe enthalten – etwa Vitalpilze, Zistrosenextrakt, Rhodiola (Rosenwurz) oder Grüntee, aber auch Bienenprodukte wie Propolis –, verstärkt beworben. Die Stoffe sollen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus schützen oder eine Weiterverbreitung verhindern. Sich auf solche Botschaften zu verlassen, ist jedoch gefährlich. Da das Virus erst seit kurzer Zeit bekannt ist, gibt es keine Studien, die eine Wirksamkeit von bestimmten Pflanzen, Vitaminen oder Mineralstoffen belegen. Ratsuchende sollten deshalb jedem Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel misstrauen, das mit dem Begriff „Corona“ wirbt. Ein Gesundheitshinweis auf solchen Produkten – etwa „schützt vor Viren“ – ist strikt verboten.
  • Das Team der Beratungsstelle Dortmund und die Leiterin Helene Schulte-Bories (vorne 2.v.l.).

    Zwiebeln und Ingwer – keine virenabtötenden Knollen: Aufgeschnittene Zwiebeln in der Wohnung verteilen, ist Humbug. Die Knollen saugen keine Bakterien und Viren aus der Luft auf! Zwiebeln, wie auch Knoblauch enthalten zwar Sulfide, die zu den gesundheitsfördernden sekundären Pflanzenstoffen gehören und sich positiv auf das Immunsystem auswirken können. Als regelmäßige Zutat beim Kochen sind sie bestens geeignet, aber das Virus vertreiben können sie nicht. Gekochter Ingwer auf leeren Magen gegessen kann ebenfalls nicht helfen, eine Coronaviren-Erkrankung zu heilen. Dieser Aussage wurde schon Anfang des Jahres von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) widersprochen. Wer Ingwer mag, kann ihn gerne essen, als Zutat im Tee trinken oder als Gewürz verwenden.

  • Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel: Schokolade oder Joghurt mit Keksen, Brot, Nudeln oder panierte Schnitzel können die Darmwände porös machen, weil sie vielfach den Klebestoff Gluten enthalten? Das ist eine starke Behauptung, die sich im Internet und in sozialen Netzwerken hartnäckig hält. Die angebliche Begründung: Da die Darmschleimhäute mit den Schleimhäuten der oberen Atemwege in Verbindung stehen, wären diese ebenfalls durch die Aufnahme glutenhaltiger Nahrungsmittel geschwächt und anfälliger für Viren. Hierzu fehlt der Beweis!
  • Virenabwehr durch Kokosöl und ayurvedische Gewürze: Morgens und abends je einen Teelöffel Kokosöl auf der Zunge zergehen lassen, diese vorbeugende Maßnahme soll helfen, Coronaviren zu vertreiben. Diese Behauptung ist Unsinn. Gewürze wie Safran, Kurkuma, Zimt oder auch Zitronengras dürfen gerne ins Essen, einen Schutz oder Hilfe vor dem schlimmen Virus bieten sie nicht.
  • Wohltuende Wirkung von Thymian- und Salbei-Tees: Diese Tees sind traditionelle Pflanzenarzneimittel bei Erkältung. Eine Infektion mit dem Coronavirus ist jedoch schwerwiegender und keine Erkältung! Die Arznei-Tees dienen der Linderung von Beschwerden bei Husten und Schnupfen und eignen sich nicht zur Vorsorge.
  • Reichlich heißes (Knoblauch-)Wasser trinken: Heißes Wasser (mit mehr als 60 Grad Celsius) führt eher zu Verbrennungen in Mund und Speiseröhre, bevor es Viren im Magen-Darm-Trakt erreicht! Auch das Gurgeln mit einer Essig-Salz-Lösung schützt nicht vor Infektion.
  • Was derzeit wirklich hilft: Ratsuchende sollten bei Empfehlungen auf den Absender achten und diese mit dem gesunden Menschenverstand abklopfen. Die offiziell verkündeten Hygienevorschriften – wie Distanz und Abstand zueinander halten, regelmäßiges, gründliches Händewaschen mit Seife und solo Sonne tanken bei einem Spaziergang, auf dem Balkon oder am geöffneten Fenster – sind einfache, aber wirksame, wenn nicht gar derzeit wirklich lebensrettende Tipps, um das schlimme Virus abzuwehren.

Weitere Informationen:

  • Infos zu akuten Verbraucherthemen bieten die örtlichen Beratungsstellen der Verbraucherzentrale NRW – bis auf Weiteres ausschließlich telefonisch oder per E-Mail.
  • Kontaktdaten finden Ratsuchende im Internet unter www.verbraucherzentrale.nrw/beratung-vor-ort.
  • Spezielle Antworten auf Corona-Fragen zur Bewältigung des Verbraucheralltags gibt’s auch telefonisch unter (02 11) 3399 5845 – und zwar montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr und online unter www.verbraucherzentrale.nrw/corona.
THEMENFELD PFLEGE

Kontakteinschränkungen für Pflegebedürftige und Angehörige – Pflegewegweiser NRW gibt Orientierung

Wer Angehörige in dieser Zeit der strengen Kontaktsperre zu Hause pflegt oder in einer Pflegeeinrichtung besuchen möchte, muss besonders harte Regeln im Umgang miteinander beachten: Zum Schutz der Betroffenen – vor allem von alten und kranken Menschen – gilt derzeit: So wenig direkten Kontakt haben wie möglich!

Für die Pflege zu Hause heißt dies, dass Angehörige über die notwendigen Pflegemaßnahmen hinaus auf Umarmungen oder zärtliche Berührungen von Pflegenden vor allem im Gesicht verzichten, um sie keinem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen.

Für Pflegebedürftige im Heim gilt vorübergehend ein striktes Besuchsverbot. Hier hilft derzeit nur, dass Familie, Freunde oder persönliche Betreuer einen direkten Kontakt per Telefon oder Video zu Bewohner*innen einer Einrichtung halten, damit pflegende Angehörige weiterhin Zuspruch erfahren und sich nicht gänzlich allein gelassen fühlen.

Prekäre Lage von Dementen: Hygiene-Maßnahmen können unter Umständen nicht vermittelt werden

Besonders schwierig ist die derzeitige Lage für Menschen mit Demenz: Die besonderen Hygiene-Maßnahmen in der Corona-Pandemie sind Betroffenen je nach Stadium nicht zu vermitteln. Ganz gleich, ob bei einer Betreuung zu Hause oder einer Unterbringung im Heim: Pflegende Angehörige sind aktuell noch stärker gefordert als sonst und benötigen in ihrer oft prekären Lage dringend eine entlastende Unterstützung.

Betroffene sollten daher rechtzeitig Rat bei Profis einholen, wenn Sie unsicher sind, wie die Pflege ihres Angehörigen vor dem Hintergrund der Corona-Krise bewerkstelligt werden soll: Unter der kostenlosen Rufnummer 0800 4040044 informiert der Pflegewegweiser NRW (unter Projektleitung der Verbraucherzentrale NRW) auch unter den aktuellen Bedingungen rund um das Thema Pflege und über vorhandene Beratungs- und Unterstützungsangebote in Wohnortnähe.

Weitere Informationen:

  • Die landesweite Hotline steht montags, dienstags, mittwochs und freitags von 9-12 Uhr und donnerstags von 14-17 Uhr für pflegende Angehörige und Pflegebedürftige zur Verfügung. Auf dem Informationsportal www.pflegewegweiser-nrw.de sind aktuelle Informationen zu den befristeten Maßnahmen vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie im Zusammenhang mit dem Thema Pflege zu finden.
  • Auch der Heimfinder NRW sowie die Übersicht über anerkannte Unterstützungsangebote im Alltag des Landesgesundheitsministeriums NRW sind auf dem Pflegeportal sichtbar, so dass wichtige Informationen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige somit aus einer Hand zur Verfügung stehen.
  • Link zum Pflegewegweiser NRW; hier:
  • Wenn Personen Symptome aufweisen, die auf eine Corona-Erkrankung hindeuten oder Kontakt zu einer infizierten Person hatten, können sie in das Corona-Diagnosezentrum kommen, das auf dem Parkplatz vor dem Klinikum Dortmund Nord aufgebaut steht. Dort werden sie von Hausärzt*innen und Mitarbeiter*innen des Klinikums informiert und bei Bedarf auf das Virus getestet. Eine Voranmeldung ist nicht nötig.
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