„Die WERTstatt“ – mehr als nur ein Wort: konkrete Inklusion und Nachhaltigkeit als Praxis in der Dortmunder Nordstadt

„Die WERTstatt“: Ort der Begegnung und Kreativität – für alle, ohne Ausgrenzung. Fotos: Thomas Engel

Raum, Materialien, Werkzeuge. In diesem Horizont bewegt sich das Angebot für rege Phantasie von „Die WERTstatt“. In dem vom Quartiersmanagement der Nordstadt geförderten Projekt werden soziale Belange und ökologische Forderungen – Teilhabe und nachhaltiges Handeln – in einem kleinen Hinterhof in Dortmund praktisch wie vielseitig miteinander verbunden.

Niederschwelligkeit  der „WERTstatt“: offener Kreativ-Ort für alle, die mitmachen möchten

Dass nachhaltiges Handeln für eine möglichst ausgewogene Ökobilanz einen zentralen Stellenwert einnimmt, dürfte mittlerweile klar sein. Eine neben vielen anderen Möglichkeiten: Dinge, die ansonsten auf dem Müll landen oder bereits weggeschmissen wurden, in irgendeiner Form in den Lebenskreislauf zurückzubringen.

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Sie aufwerten oder „upcyceln“, wie es heute heißt. Indem sie auf- oder umgearbeitet werden. Dies erfordert handwerkliches Geschick, häufig auch Kreativität. Wenn etwas eine neue Funktion oder Gestalt erhält oder als Rohmaterial für eigene Schöpfungen dienen soll.

Ein weiteres zentrales Thema unserer Zeit – jetzt sozial und bezogen auf die Weise, wie wir miteinander leben wollen: Inklusion. Alle sollen dabei sein können, teilhaben in einem sozialen Beziehungsgeflecht. Unabhängig von individuellen Voraussetzungen und Lerngeschichten: gleichberechtigt, diskriminierungsfrei, selbstbestimmt. Was auch heißt: an einem niederschwelligen Ort zu agieren, der für alle offen ist.

Verein MOBILE-Dortmund: Einsatz für ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben

Dies ist im Kern die Projektidee, die gegenwärtig in einem Hinterhof der Dortmunder Nordstadt realisiert wird. Sie nennt sich: „Die WERTstatt“ und wird getragen vom Dortmunder Verein MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V.

Obligatorisches Foto: Akteure und Teilnehmende im Projekt

Wie der Name schon sagt: hier findet quasi Wertschöpfung statt – ohne Raubbau an der Natur.

Kleber, Kleister, Farben, Werkzeug – die Materialien werden finanziert vom Quartiersfonds Nordstadt. Damit wird ein Schrank aufgearbeitet, werden Stühle verklebt, abgeschliffen, lackiert, neu gepolstert. Ob es Fachleute gäbe, die sich besonders darin auskennten? „Jeder, der kommt, hat spezielle Kompetenzen“, gibt Projektmitarbeiterin Dunja Skoczylas zu verstehen.

Treffpunkt ist die Dortmunder Nordstadt, jeden Freitag zwischen 12 und 18 Uhr. Acht bis zehn Teilnehmer*innen sind es durchschnittlich. Manchmal ginge es auch bis 19 Uhr, wenn sie Lust hätte(n), sagt Leiterin Katja Schneider. Worum es geht? – „Im Rahmen des Projektes möchten wir den Raum, die Materialien und Werkzeuge, die Ideen und das Know-how anbieten, um Inklusion und Nachhaltigkeit auch zu leben.“

Selbsterfahrung statt Konsum: beim individuellen Upcycling und als produktives Miteinander

Claudia ist regelmäßig hier. Sie hat schon einen Hocker gemacht; gerade arbeitet sie an CD-Regalen, verklebt sie. Heute ist offizielle Projekteröffnung, ein besonderer Anlass für alle.

Es gibt Fingerfood; Gespräche entstehen von allein; Besucher*innen, Aktive verstreuen sich. Ein buntes Miteinander, das real ist: als jener Freiraum, in dem sie alle willkommen sind. Und zusammen wachsen können.

Die Rohmaterialien des Projekts, mit denen die Upcycling-Bastelei beginnt, sind Spenden oder sie stammen aus Haushaltsauflösungen; manchmal bringen Teilnehmer*innen etwas mit, was sie irgendwo finden: eine Blechdose, ein Blumentopf und vieles mehr. Weiterverarbeitet wird, was eben da ist.

„Wir versuchen, soviel vorhandene Materialien wie möglich zu verwenden, statt neu zu kaufen“ macht Mitarbeiterin Valentina Schwab den Ansatz klar. Was daraus hergestellt wird, verbleibt selbstverständlich bei den Produzent*innen. Doch das scheint hier zweitrangig. Wichtiger ist wohl der Weg selbst, die Erfahrungen beim Beschreiten – mit sich und anderen Teilnehmenden.

Teil der Agenda: weitergehende Vernetzung mit interessierten Akteuren aus der Nordstadt

Bei der offiziellen Eröffnung des seit Herbst 2019 geförderten Projekts im Hinterhof an der Missundestraße liegt ein Hauch von Antizipation in der Luft. Als Hoffnung, dass es häufiger so sein dürfte, ja, sollte.

Ganz nebenbei bringt eine kleine Gruppe von Frauen aus der Umgebung eine Stoffspende mit. Es wirkt fast normal.

Kooperationen mit anderen Akteuren und Initiativen im Stadtteil bestehen bereits; enge Verbindungen existieren zum Quartiersmanagement Innenstadt-Nord. Und zu unmittelbaren Nachbarn wie „Raum vor Ort“ von nebenan. Ein kleines Netzwerk ist nach dem Start vor sechs Monaten entstanden. Es gibt Überlegungen, sich mit dem neu gegründeten Offenen Zentrum näher ins Benehmen zu setzen. Und einiges mehr.

Was die Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte betrifft, gerade in der Nordstadt: die ist, wenig überraschend, offenbar ausbaufähig. Weil dort traditionale Bindungen durch großfamiliäre Strukturen – ob als Hilfe oder Bürde – vielleicht noch lebendiger sind.

Alles, nur keine Schwarz-Weiß-Schemata: Vielseitigkeit als Handlungsziel und Programm

Die Idee sei gewesen, dass alle Menschen aus dem Stadtteil teilnehmen können, sagt Valentina Schwab. Gleich ob Jung oder Alt, mit oder ohne „Behinderung“ oder welchem kulturellen Hintergrund. Bewusst habe man sich für die Nordstadt als Standort entschieden.

Je bekannter sie würden, desto vielseitiger könnten sie sein, deutet sie an, wohin die Reise (auch) gehen soll. Private Initiative und ehrenamtliches Engagement spielen im Projektensemble eine große Rolle.

Im letzten Jahr wurde das Inklusionsprojekt mit dem „Förderpreis Soziale Stadt 2019“ ausgezeichnet und erhielt von der Stadt Dortmund und der PSD Bank einen Zuschuss von 2.000 Euro. Was für die Zielvorstellungen der Akteure langfristig nicht reichen wird.

Weitere Informationen:

  • MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. wurde 1983 aus der Politischen Behindertenselbsthilfe heraus gegründet. Behinderte und nichtbehinderte Mitglieder und Dortmunder Behindertenselbsthilfegruppen, die sowohl Proteste während des UNO-Jahres als auch das Krüppeltribunal mitgetragen haben, gründeten den Verein, um Alternativen zum tradierten Behindertenhilfesystem aufzuzeigen und deren Aufbau zu unterstützen. Seit 1986 ist der gemeinnützige Verein mit einem ehrenamtlichen Vorstand Mitglied im Diakonischen Werk.
  • MOBILE richtet sich vehement gegen die Fremdbestimmung behinderter Menschen durch Institutionen und Strukturen. Behinderte Menschen sollen als gleichberechtigte Bürger*innen die Möglichkeit haben, ihre eigenen Lebenspläne zu entwickeln und verwirklichen zu können, wie es auch nichtbehinderten Menschen offen steht. Gemäß dieser Zielrichtung führt MOBILE als Träger oder gemeinsam mit Behindertenselbsthilfegruppen und -verbänden Projekte durch und baut Unterstützungsangebote auf, die behinderten Menschen in allen Lebensbereichen ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben ermöglichen.
  • Homepage MOBILE, hier:
  • Spenden sind jederzeit herzlich willkommen: MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V.; Sparkasse Dortmund, IBAN: DE47 4405 0199 0211 0019 25

 

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Reaktionen

  1. chico

    echt cool. dort kan man auch cool bike-reparatur in der werkstatt machen
    man kann seine IDEE ausüben – mit holz airbrush finde es auch gut, dass man dort in der werkstadt auch neue personen kennenlernen kann.

    mein Vorschlag: man könnte dort auch alte PC reparieren – chico

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