Corona sorgt für Probleme bei Briefwahl und Wahllokalen – Rat steht eine Mammut-Sitzung in Westfalenhalle 2 bevor

Die nächste Sitzung wird vom Ratssaal des Rathauses (Foto) in die Westfalenhalle 2 verlegt. Archivbilder: Alex Völkel

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen verhageln dem städtischen Wahlamt die Vorbereitung der Kommunalwahl am 13. September – die Briefwahlunterlagen können erst deutlich später als üblich verschickt werden. Und auch der Rat der Stadt Dortmund muss sich räumlich neu aufstellen: Corona beschert dem Gremium zumindest räumlich die größte und vielleicht auch längste Ratssitzung: Um am 18. Juni den kompletten Rat und nicht nur den Hauptausschuss als Dringlichkeitsausschuss tagen zu lassen, muss die Sitzung in der Westfalenhalle 2 stattfinden. Sie wird zudem vielleicht sogar zweitägig werden – die Tagesordnung ist gefühlt endlos.

Briefwahlunterlagen können erst ab dem 19. August verschickt werden

Das Problem des Wahlamts: Eigentlich sollte am 16. Juli um 18 Uhr „die Klappe fallen“ – bis dahin mussten  die Parteien und Einzelbewerber*innen ihre Kandidaturen und – sofern nötig – die Unterstützungsunterschriften einreichen. Doch genau da liegt das Problem: Denn die Corona-Beschränkungen hatten mehreren Parteien die notwendigen Parteitage und Wahlkreiskonferenzen verhagelt. ___STEADY_PAYWALL___

Wegen der verlängerten Abgabefrist für Bewerber*innen können die Briefwahlunterlagen für die Kommunalwahl erst später als geplant verschickt werden.

Außerdem konnten die kleinen Parteien und Einzelbewer*innen, die erstmals antreten, kaum Unterschriften für ihre Kandidaturen sammeln. Denn die klassischen Wege, Infostände und Klinkenputzen, waren ebenfalls nicht möglich.

Daher hat das Land nun den Meldeschluss auf den 27. Juli gelegt. Zudem sind einige Klagen der Parteien vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig. Außerdem ist noch nicht entschieden, ob die Zahl der benötigten Unterschriften reduziert wird.

Damit verschiebt sich das anschließende Procedere mit Aufstellung der Wahlzettel und Bestätigung durch den Wahlausschuss. Der Versand der Briefwahlunterlagen kann dann aber erst am 19. August beginnen. Da der Termin der Wahl aber nach Willen der NRW-Landesregierung der 13. September bleiben soll, wird das Zeitfenster für den Versand der Briefwahlunterlagen deutlich verkürzt.

Nicht nur wegen der Sommerferien kann das zum Problem werden. Schließlich wird Briefwahl immer beliebter. Bei der letzten Kommunalwahl 2014 in Dortmund haben 58.150  Dortmunder*innen Briefwahl gemacht, bei der Europawahl im vergangenen Jahr waren es schon 67.161.

Wegen Corona-Auflagen stehen viele der 386 Wahllokale nicht mehr zur Verfügung

Neben dem Briefwahlbüro im Rathaus (Foto) gibt es am Wahltag 386 dezentrale Wahllokale in Dortmund.

Wer am Wahltag seine Stimme(n) abgeben will, muss sich ebenfalls auf Veränderungen einstellen: Denn die Stadt muss sehr wahrscheinlich viele neue Räume für die insgesamt 386 Wahllokale suchen.

Bisher befinden sich nicht wenige in Altenheimen, Begegnungsstätten, Schulen und Kitas. Durch die Corona-Beschränkungen stehen diese teilweise nicht mehr zur Verfügung. Eine entsprechende Prüfung läuft bereits.

Die Stadt könnte  – das sieht der rechtliche Rahmen vor – die Zahl der Wahllokale auch halbieren. Bisher hat man 2.500 potenzielle Wähler*innen pro Wahllokal. Das Doppelte wäre auch möglich. Doch diesen Schritt will der für Wahlen zuständige Dezernent Norbert Dahmen nicht gehen. Nicht nur, weil sich dann mehr Wahlberechtigte in den Lokalen tummeln würden – in Zeiten von Abstandsgeboten das falsche Signal.

Dahmen sieht die dann doppelt so große Flut an auszuzählenden Stimmzetteln als eine Zumutung für die ehrenamtlichen Wahlhelfer*innen. Sie müssen ohnehin schon die Stimmzettel von vier Wahlen – Oberbürgermeister, Rat, Bezirksvertretung und erstmals auch für den Regionalverband Ruhr – auszählen. Die am gleichen Tag stattfindende Wahl zum Integrationsrat wird erst zwei Tage später ausgezählt.

Mammutsitzung: Der Rat muss die Themen von drei Sitzungen abarbeiten

In Corona-Zeiten tagte der Hauptausschuss als Dringlichkeitsausschuss und ersetzte den Rat.

Die Corona-Schutzauflagen stellen aber auch die politischen Gremien vor große Herausforderungen. Am 18. Juni soll der Rat erstmals wieder in voller Besetzung stattfinden. Die letzten Sitzungen waren ausgefallen, stattdessen hatte der Hauptausschuss als Dringlichkeitsausschuss getagt. 

Der Plan, den Stadtrat dann im Goldsaal der Westfalenhallen tagen zu lassen, geht aus Platzgründen aber nicht auf. Denn nicht nur die rund 90 Ratsvertreter*innen sowie die Mitglieder der Verwaltung, auch Medien und Zuschauer*innen sollen mit ausreichend Abstand Platz finden. 

Doch nicht nur der Sitzungsort, auch die Tagesordnung ist ein Problem: Vorsorglich ist auch ein zweiter Tag geblockt – denn die Tagesordnung wird gefühlt endlos. Schon zu normalen Zeiten dauern Ratssitzungen mitunter mehr als sechs Stunden. Für die erste „reguläre“ Sitzung nach Corona haben sich aber die Tagesordnungspunkte von zwei früheren Ratssitzungen aufgehäuft.  

Auch die Tagesordnungspunkte, die der Dringlichkeitsausschuss bereits abgearbeitet hat, müssen vom Rat noch bestätigt werden. Der Grund ist eine schlampige Formulierung bei der Änderung der Gemeindeordnung durch die Landesregierung. Diese war so schwammig, dass nicht sicher war, ob eine Bestätigung durch den Rat nötig wäre oder nicht. Daher hatte man sich in Dortmund darauf verständigt, dass der Rat auf jeden Fall die Beschlüsse bestätigen sollte, um Rechtssicherheit zu bekommen. 

Schwammige Formulierung des Landes hat für Rechtsunsicherheit gesorgt

Zwar ist mittlerweile von Seiten des Landes nachgebessert worden – eine Bestätigung wäre nicht mehr möglich. Da man aber die Delegation der Entscheidung an den Dringlichkeitsausschuss nur mit knapper Mehrheit und unter anderen Prämissen gemacht hat, will man nun in den sauren Apfel beißen und alle Beschlüsse nochmals durchkauen. 

Neonazi Michael Brück sitzt für „Die Rechte“ im Rat.
OB Ullrich Sierau will ein „rumfilibustern“ im Rat vermeiden – dabei hat er u.a. Neonazi Michael Brück im Blick – dieser sitzt für „Die Rechte“ im Rat.

Auf „Nummer Sicher, mit Gürtel und Hosenträger“, gehe man, betont OB Ullrich Sierau. Er will um jeden Preis vermeiden, dass die Entscheidungen im Nachgang beklagt werden. Denn die nicht im Dringlichkeitsausschuss vertretenen Ratsmitglieder, die keiner Fraktion angehören, haben sich in der Vergangenheit als sehr klagefreudig erwiesen.

„Wir müssen mal wieder im Rat nachbessern, was beim Land juristisch versaut wurde. Man bekommt den Eindruck, dass die in Düsseldorf nicht wissen, was im Land los ist, wer in den Räten sitzt und seine Süppchen auf den aufflammenden Verunsicherungen kochen will“, wetterte Sierau am Dienstag nach dem Verwaltungsvorstand. 

„Ich werde es nicht zulassen, dass durch solche Versuche die Rechtssicherheit von Ratsbeschlüssen in Frage gestellt werden und die Ratsarbeit diskreditiert wird“, so der OB. Auf einen Verzicht der Redezeitbeschränkung, wie u.a. von den Neonazis gefordert, wollen sich die demokratischen Parteien nicht einlassen.

„Ich will nicht, dass wieder rumfilibustert* wird. Daher werden wir wohl mit Beschränkung arbeiten werden“, so Sierau weiter. Der Rat hatte zuletzt immer eine Beschränkung auf drei Minuten Redezeit pro Ratsmitglied und Tagesordnungspunkt beschlossen. Bei mehr als 100 Tagesordnungspunkten kann aber auch dies gefühlt ewig dauern.


* Anmerkung: Der Begriff Filibusterei wird in der Rhetorik verwendet – insbesondere mit Blick auf das parlamentarische System. Er bedeutet dort die Taktik einer Minderheit, durch Dauerreden oder durch die bloße Androhung von Dauerreden eine Beschlussfassung durch die Mehrheit zu verhindern oder zu verzögern. Der Filibuster ist kein neues Phänomen, sondern geht auf die römische Tradition der Ermüdungsrede zurück. (Wikipedia)

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Reaktionen

  1. Werden Sie Wahlhelfer*in bei der Kommunal- und Integrationswahl 2020 (PM der Bürgerdienste Dortmund)

    Werden Sie Wahlhelfer*in bei der Kommunal- und Integrationswahl 2020

    Bei den Bürgerdiensten der Stadt Dortmund laufen die Vorbereitungen für die diesjährigen Wahlen bereits auf Hochtouren. Am Sonntag, 13. September, stehen die Kommunal- und Integrationswahlen an. Eine mögliche Stichwahl ist für Sonntag, 27. September, terminiert.

    Rund 5.300 Wahlhelfer*innen werden für diese Tage gebraucht. Mehr denn je sind die Bürgerdienste auf Ihre Unterstützung angewiesen. Sie können die Wahlen unterstützen als Mitglied in einem Wahlvorstand bei der Urnenwahl in der Nähe Ihres Wohnortes oder als Mitglied in einem Briefwahlvorstand im Briefwahlzentrum in den Westfalenhallen.

    Soweit möglich, berücksichtigen wir Ihre Einsatzwünsche selbstverständlich. Gerne können Sie Wahlvorstände / Briefwahlvorstände auch gemeinsam mit ihren Bekannten oder Kindern (ab 16 Jahren) bilden.

    Das bietet die Stadt Dortmund:

    – 55 € Erfrischungsgeld für Wahlvorsteher*innen und Schriftführer*innen bei der Urnenwahl

    – jeweils 50 € Erfrischungsgeld für alle weiteren Mitglieder eines Wahlvorstandes bei der Urnenwahl

    – 40 € Erfrischungsgeld für Wahlhelfer*innen in einem Briefwahlvorstand, sowie eine

    – gute Vorbereitung und Schulung auf Ihre Tätigkeit

    – Schutzmaßnahmen, die auf die dann vorliegende Corona-Situation abgestimmt sind und

    – nicht zuletzt einen Blick hinter die Kulissen der Demokratie.

    Voraussetzungen für Wahlhelfer*innen:

    Voraussetzung für die Unterstützung als Wahlhelfer*in ist, dass Sie mindestens 16 Jahre alt sind und die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzen.

    Kontakt: Meldungen können ab sofort über ein Anmeldeformular erfolgen. Dieses finden Sie unter wahlen.dortmund.de – für weitere Fragen steht Ihnen das Team der Wahlvorstandsbesetzung unter der Rufnummer 0231/50-1 09 33 oder per Mail unter wahlhelfer@stadtdo.de gerne zur Verfügung. Wir freuen uns auf Ihre Unterstützung.

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